“50 Jahre und kein bisschen leise”: Am 13. Mai 1975 wurde die heutige LAGS Bremen e.V. gegründet!

Zu sehen ist eine schwarze Zahl 50 mit dem Wort Jahre darunter und LAGS, dazu eine Lautsprechertröte. Im Kreis steht dann "und kein bisschen leise", also insgesamt im Kreisrund: "50 Jahre und kein bisschen leise".
Das Foto zeigt das Gründungsprotokoll für die damalige LAG Hilfe für Behinderte (heute. LAG Selbsthilfe behinderter Menschen Bremen e.V.) vom 13. Mai 1975.

Als im Mai 1975 in Bremen die Landesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte gegründet wurde, geschah dies in einer Situation, die geprägt war von einem gesellschaftlichen Aufbruch. Vor dem Hintergrund der Studierendenbewegung, die oftmals mit der Jahreszahl 1968 beschrieben wird, entstanden Bürgerbewegungen, wie die Friedens- oder die Umweltschutzbewegung. Auch Eltern von Kindern mit Behinderung und nicht zuletzt die Menschen mit Behinderungen selbst erkannten, dass es notwendig ist, sich zu organisieren und die eigenen Interessen gemeinsam durchzusetzen. So entstanden Verbände und Dachverbände der Betroffenen. In ihnen fanden sich Menschen zusammen, die engagiert an der Veränderung eines als falsch erkannten Zustandes arbeiten wollten. Zugleich wirken auch in diesen Organisationen alte Denkmuster nach. Von daher kann es kaum verwundern, dass die LAG sich bei ihrer Gründung noch der Hilfe für Behinderte verschrieben hatte und nicht die Selbsttätigkeit und die Selbsthilfe der Betroffenen in den Blick nahm. Bis sich diese Perspektive auch im Namen des Vereins niederschlagen konnte, sollte es noch bis in das Jahr 2007 dauern.

Die Arbeit der Landesarbeitsgemeinschaft zeichnete sich indes von Anfang an dadurch aus, dass sie Partei nahm für Menschen mit Behinderungen und offen war für Impulse aus den Reihen der Behindertenbewegung. Auf diese Weise konnte die LAG in den späten 1980er Jahren unter der Federführung von Doris Galda den Stadtführer „Barrierefreies Bremen“ vorlegen, der bis heute digital vom Planungsbüro Protze+Theiling fortgeschrieben wird. Er bot und bietet Informationen zur Zugänglichkeit von Gebäuden. Aber auch in gesellschaftliche Debatten bringt die LAG sich mit klaren Positionen ein. So beteiligte sie sich im Frühjahr 1990 an der Veranstaltungsreihe „Lebensqualität statt Qualitätskontrolle menschlichen Lebens“. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe reagierten die Referent*innen auf die behindertenfeindlichen Standpunkte des australischen Bioethikers Peter Singer, der das Lebensrecht von Menschen mit Behinderungen infrage stellt. Sie alle machten in ihren Beiträgen deutlich, dass in keinem Fall über den Wert des menschlichen Lebens diskutiert werden darf. Vielmehr ist darum zu ringen, dass alle Menschen ein gutes Leben leben können.

In den 1990er Jahren fanden in der deutschen Behindertenbewegung lebhafte Debatten statt. Auf der einen Seite wehrten sich Menschen mit Behinderungen gegen Angriffe auf ihr Lebensrecht. Auf der anderen Seite erstritten sie die Veränderung des deutschen Grundgesetzes. Seit 1994 heißt es im Artikel 3: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Im Zuge dieser Auseinandersetzungen entstanden auch in Bremen neue Formen der Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen. 1993 entstand mit dem Arbeitskreis Bremer Protest gegen Diskriminierung und für Gleichstellung behinderter Menschen ein Zusammenschluss von Menschen mit Behinderungen, die – aus unterschiedlichen Zusammenhängen stammend – sich im Umkreis der Landesarbeitsgemeinschaft engagieren und seitdem den Bremer Protesttag zum europäischen Tag der Menschen und im Dezember das Bremer Behindertenparlament organisieren.

Insbesondere aufgrund des Behindertenparlaments schauen Aktive der Behindertenbewegung aus der gesamten Republik nach Bremen. Die feste Verankerung der Teilnehmer*innen der jährlichen Behindertenparlamente ist die Grundlage ernsthafter Debatten im Plenum und fundierter Beschlüsse, die in der Bremer Politik ernst genommen und beraten werden. Beim Protesttag im Mai werden die Belange und Forderungen der Betroffenen von ihnen lautstark und entschlossen auf die Straßen getragen. Bei dieser Gelegenheit kann die Stadtgesellschaft hautnah erleben, dass Menschen mit Behinderungen selbstbewusst als Expert*innen in eigener Sache auftreten. Die Landesarbeitsgemeinschaft stellt für beide Veranstaltungen gerne ihre organisatorischen Fähigkeiten zur Verfügung.

Seit einigen Jahren wird auch die behindertenpolitische Szene in Bremen immer internationaler. Menschen mit Migrationsgeschichte und Beeinträchtigungen formulieren vermehrt ihre berechtigten Forderungen und gestalten die behindertenpolitischen Diskussionen in Bremen mit. Die Landesarbeitsgemeinschaft reagierte auf diese Entwicklung mit der Schaffung neuer Formate. Inzwischen entstehen aus dem Friday Café heraus Projekte in Deutschland, Guinea, Venezuela und an anderen Orten. Die Aktiven der LAG schlagen auf diese Weise Brücken zwischen Kontinenten und ermöglichen Inklusion.

Die Fäden der Aktivitäten der LAG Selbsthilfe laufen in der Geschäftsstelle in der Waller Heerstraße zusammen. Jahrzehnte lang arbeitete dort nur ein Mensch auf einer halben Stelle. Dies hat sich seit einigen Jahren verändert. Vor allem durch das emsige Wirken des Geschäftsstellenleiters Gerald Wagner hat die LAG viele neue Aufgaben übernommen, die inzwischen von einem knappen Dutzend Personen in unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen bearbeitet werden. Dieser Umstand ist auch ein Ausdruck der wachsenden Bedeutung der LAGS in der politischen Landschaft Bremens.

Freilich lebt die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe vor allem durch das Engagement der vielen Ehrenamtlichen, die Arbeit in der Geschäftsstelle und das Wirken der Berater*innen der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung. Doch ohne die Unterstützung des Vorstandes wären viele Entwicklungen des Vereins nicht möglich gewesen. Georg Gries, der Gründungsvorsitzende der LAGS, hatte maßgeblichen Anteil an der Gründung von Behindertenwerkstätten in Bremen und war Ehrenmitglied der Lebenshilfe. Nach seinem Tod übernahm Gerhard Iglhaut den Vorsitz der LAGS und leitete den Verein bis 1995. Ihm folgte Matthias Weinert, der die Geschicke des Vereins bis 2008 leitete. Mit Dieter Stegmann wurde schließlich ein Mensch mit Beeinträchtigung Vorsitzender der LAGS. Gleiches galt und gilt für Dr. Joachim Steinbrück und Jürgen Karbe. So wurde auch im Vorstand der Wandel von der Hilfe zur Selbsthilfe manifestiert. Alle Vorsitzenden prägten die Landesarbeitsgemeinschaft auf ihre Weise und schufen das Fundament für die weitere Entwicklung der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Bremen.

Ein halbes Jahrhundert LAGS Bremen ist auch ein Spiegel der gesellschaftlichen und behindertenpolitischen Entwicklungen im Land. Der Verband ist mit seinen Aufgaben gewachsen, viele Barrieren wurden bereits beseitigt, doch noch immer erleben Menschen mit Behinderungen Diskriminierungen und Ausgrenzungen. Sie zu beseitigen bleibt Aufgabe einer selbstbewussten Behindertenbewegung, deren fester Teil die LAGS auch in Zukunft bleiben wird. Die historischen Erfahrungen der vergangenen 50 Jahre werden so zum Werkzeug der Weiterentwicklung der LAGS in den kommenden 50 Jahren. 

Das alles war und ist und wird auch in Zukunft nur möglich mit ausreichenden finanziellen Mitteln. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir für die Bewältigung der wachsenden Aufgaben auch Jahr für Jahr auch die erforderliche Unterstützung bekommen. Darum bedanken wir uns an dieser Stelle ganz besonders herzlich und jeweils mit einer kurzen inhaltlichen Beschreibung bei allen Institutionen, die uns mit regelmäßigen Zuschüssen, Projektförderungen und auch Spenden in unserer vielfältigen Arbeit finanziell unterstützen:

Die Geschäftsstelle und die klassische Interessenvertretung und Selbsthilfe für Menschen mit Behinderungen nach UN-BRK und SGB IX Bundesteilhabegesetz (Gesamtleitung, Beratung der Menschen mit Behinderungen und ihrer Vereine, Gremienarbeit, Projektkoordination usw.) wird finanziert durch die Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration sowie Justiz und Verfassung, Dr. Claudia Schilling und ihr Haus – ganz vielen herzlichen Dank an sie und ihre Vorgänger:innen und alle Mitarbeitenden!

Seit 2018 ist die LAGS Bremen e.V. Träger einer Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatungsstelle (EUTB). Diese Beratungsmöglichkeit wurde mit dem Bundesteilhabegesetz (§ 32 BTHG) eingeführt, weil mit der Umsetzung der UN-BRK im deutschen Sozialrecht viele Änderungen vorgenommen wurden, damit Menschen mit Behinderungen besser selbstbestimmt leben zu können. Die dafür erforderlichen Informationen, die oft komplizierten Anträge, und Hinweise, woher bestimmte Hilfen kommen können, geben die Berater:innen der EUTB. Weil dieses Gesetz von der Bundesregierung gemacht wurde, kommt die Finanzierung unserer zwei Stellen für Teilhabeberatung vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Dafür danken wir dem BMAS sehr herzlich.

Die klassische gesundheitsbezogene Selbsthilfe nach § 20h aus der Gesetzlichen Krankenversicherung nach SGB V wird auch von unseren inzwischen mehr als 40 Mitgliedsorganisationen und von der LAGS als Dachorganisation geleistet. Die einzelnen auf konkrete Diagnosen bezogenen Selbsthilfegruppen und Aktivitäten unserer Mitglieder werden entweder pauschal oder als einzelnes Projekt gefördert. Unsere LAGS als Dachverband unterstützt die Kooperationsgemeinschaft der Krankenklassen im Land Bremen auch bereits seit vielen Jahren. Seit 2020 führen wir mit Projektförderungen übergreifende Initiativen durch. Das war zunächst die Öffnung der Selbsthilfe für Menschen nicht deutscher Herkunft. Und seit 2024 läuft ein Projekt zur Modernisierung der Kommunikations- und Informationsstrukturen innerhalb der Mitgliedsverbände und zwischen LAGS und Mitgliedern und Netzwerkpartner:innen. Dafür bedanken wir uns bei den Krankenkassen im Land Bremen sehr herzlich!

Unser Dank gilt auch der Aktion Mensch, die mit Mikroförderungen schon lange unsere Demonstration und Kundgebung zum Aktionstag 5. Mai in Bremens Innenstadt fördert und seit 30 Jahren die barrierefreie Organisation des Bremer Behindertenparlaments finanziell unterstützt! Darüber hinaus können wir seit einigen Jahren größere Projekte für mehr Barrierefreiheit und für interkulturelle Behindertenselbsthilfe dank Aktion Mensch verwirklichen. Aktuell ermöglicht uns Aktion Mensch die Einrichtung eines Krisenortes für Menschen in psychischen Krisen. Dieser Ort wird gerade von Psychiatrieerfahrenen geplant und hoffentlich schon alsbald selbst betrieben. Dafür auch ganz herzlichen Dank!

Aus den genannten Mitteln lässt sich aber leider nicht alles finanzieren, was ein Dach- und Interessenverband der Selbsthilfe vor allem vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention zu leisten hat. Denn die Umsetzung der UN-BRK fordert uns in eigentlich allen gesellschaftlichen Bereichen. Und dass wir da schon viel tun konnten verdanken wir folgenden Institutionen:

Ein uns wahrscheinlich immer begleitendes Thema ist die Unterstützung von geflüchteten Menschen mit Behinderungen. Fördergelder der Deutschen Postcode Lotterie, die Deutsche Stiftung Engagement und Ehrenamt und Spendengelder der evangelischen Kirchengemeinde St. Martini sowie (unten nochmal erwähnte) Beiratsmittel aus Horn-Lehe, Schwachhausen und der Vahr haben uns geholfen Selbsthilfestrukturen für und gemeinsam mit geflüchteten Menschen aufzubauen, zuletzt aus der Ukraine, aber überhaupt aus ganz vielen Ländern. Das wollen wund werden wir fortführen! Dankeschön an alle Genannten für die finanzielle Unterstützung!

Ein immer bedeutsameres Themas ist Unterstützung von Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen und psychosozialen Gesundheitsproblemen in ihren jeweiligen Orts- und Stadtteilen, im Sozialraum. Einstieg in diese Arbeit waren Förderungen aus dem Programm “Demokratie Leben” des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) über die Partnerschaften für Demokratie (PfD) Bremen-Mitte und Bremen-Nord.

Aus den PfD kam auch wichtiges Geld für die Verstärkung von Inklusion im Film. Dafür arbeiten wir seit einigen Jahren mit unserem Mitglied “Compagnons – Cooperative inklusiver Film” erfolgreich in inzwischen schon drei Dokumentarfilm-Produktionen zusammen .Parallel entwickelte sich für diesen wichtigen Strang unserer Arbeit dafür auch regelmäßige finanzielle Unterstützung aus Fördermitteln des Senators für Kultur – Junge Szene Subkultur.

Noch mehr regionale Reichweite und nachhaltige Stadtteilarbeit ermöglichen uns Globalmittel der Beiräte der Stadtgemeinde Bremen, kleine Parlamente in den Bremer Stadtteilen. Hier gilt bislang unser Dank den Beiräten Hemelingen, Horn-Lehe, Huchting, Mitte, Neustadt, Osterholz, Schwachhausen, Vahr und Walle. Und in allen anderen Stadtteilen spüren wir auch ohne Geld wunderbare Unterstützung. Dankeschön von Herzen dafür!

Für die Inklusion in der Entwicklungszusammenarbeit im Inland und im Ausland (aktuell Guinea, Venezuela und Kolumbien) danken wir sehr herzlich der Bremer Senatskanzlei, dem Gesamtpersonalrat (GPR) des Landes Bremen mit seiner Spendeninitiative “Rest Cent”, Engagement Global, dem Bremer entwicklungspolitischen Netzwerk (BeN)/BreGlob und Brot für die Welt. Herzlichen Dank!

Danke von Herzen auch an die Bremer Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation Kristina Vogt und ihr Haus für rund 25.000 Euro, mit denen wir mobile Rampen für Gastronomie und Gewerbe in Bremens Stadtteilen anschaffen und verteilen!

Und aktuell ist es uns in Kooperation mi unserer Dachorganisation BAG Selbsthilfe gelungen, aus Stiftungsgeldern unserer BAG in unserem Nachbarland Niedersachsen wieder eine LAG Selbsthilfe aufzubauen. Auch dafür ganz vielen herzlichen Dank!

So viel erstmal an dieser Stelle. Dankeschön an alle, die uns in der Vergangenheit unterstützt haben, aktuell fördern und hoffentlich in Zukunft für unsere Arbeit Mittel zur Unterstützung finden werden! Ganz vielen herzlichen Dank!