- Behindertenparlament wird verschoben – Pandemie beeinträchtigt politische Teilhabe behinderter Menschen.
In seiner Sondersitzung am vergangenen Montag (29. November 2021) hat der Arbeitskreis Bremer Protest gegen Diskriminierung und für Gleichstellung behinderter Menschen (AK Protest) entschieden, dass 27. Bremer Behindertenparlament auf den 5. Mai 2022, den europäischen Protesttag gegen Diskriminierung behinderter Menschen zu verschieben. Nach der bisherigen Planung sollte das Behindertenparlament, das traditionell im Haus der Bürgerschaft stattfindet, am Freitag, 3. Dezember 2021, dem Welttag der Menschen mit Behinderungen durchgeführt werden. Die bremische Bürgerschaft hatte dem AK Protest auch für das diesjährige Behindertenparlament die Räumlichkeiten des Hauses der Bürgerschaft zur Verfügung gestellt. Aufgrund der Pandemie wäre die Durchführung des Behindertenparlaments aber nur als 2G-Plus Veranstaltung und somit nur mit stark reduzierter Zahl der Teilnehmenden möglich gewesen.
Vor diesem Hintergrund hat sich der AK Protest dazu entschieden, dass Behindertenparlament zu verschieben. Dem AK Protest ist diese Entscheidung nicht leicht gefallen, denn gerade in der Pandemie sind alte Benachteiligungen behinderter Menschen verstärkt worden und neue Formen der Benachteiligung entstanden. In dieser Situation ist die politische Teilhabe behinderter Menschen besonders wichtig. Mit der Verschiebung des Behindertenparlaments will der AK Protest aber einen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten, für die vor allem auch Kontaktreduzierungen notwendig sind. Wichtig ist dem Aktionsbündnis der Behindertenverbände aber auch, dass möglichst alle behinderten Menschen aus Bremen und der Seestadt Bremerhaven, die an dem Behindertenparlament teilnehmen wollen, dies auch können, und zwar ohne Risiko, sich zu infizieren. Schließlich gehört ein Teil der behinderten Menschen zur sogenannten Risikogruppe, für die eine Infektion mit dem Coronavirus besonders gefährlich werden kann. Das machten in der Vorbereitung vor allem Christine Sacher und Heiko Blohm, Werkstatträte aus Bremerhaven, deutlich.
„Uns ist diese Entscheidung nicht leicht gefallen“, erklärt Gerald Wagner, Geschäftsstellenleiter der LAGS Bremen. „Wir haben bei unseren Vorbereitungen großes Interesse an dem diesjährigen Behindertenparlament feststellen können. Das Spektrum der Anmeldungen war noch vielfältiger als in Vorjahren, so haben sich zum Beispiel deutlich mehr Menschen mit Migrationshintergrund angemeldet als dies in der Vergangenheit der Fall war.“
Wir freuen uns darüber, dass die bremische Bürgerschaft uns die Durchführung des Behindertenparlaments auch unter den Bedingungen der Corona-Pandemie ermöglicht hätte,” erklärt Florian Grams, einer der beiden Präsidenten des diesjährigen behinderten Parlaments. „Es ist schön, dass die bremische Bürgerschaft bereits jetzt signalisiert hat, uns auch bei dem nachgeholten Behindertenparlament im Mai zu unterstützen. Wir begreifen das als Zeichen des Interesses des Parlaments an der Beseitigung von Ausgrenzungen behinderter Menschen und nehmen die Abgeordneten dabei beim Wort.”
Dieter Stegmann, der frühere langjährige Vorsitzende der LAGS Bremen und Co-Präsident des 27. Behindertenparlaments hält es für wichtig, dass behinderten Menschen und ihren Angehörigen gerade in der jetzigen Situation ausreichend Impfstoff auch für Boosterimpfungen zur Verfügung gestellt wird, damit sie nicht wie zu Beginn der Pandemie übermäßig stark isoliert werden. „Dieses Verfahren sollte auch für alle Personen, die in den Werkstätten für behinderte Menschen und Tagesförderstätten arbeiten, Anwendung finden“, so Stegmann.
Einigkeit während der Sondersitzung des AK Protest bestand auch darin, dass für behinderte Menschen während der aktuellen vierten Corona-Welle keine diskriminierenden Sonderregelungen gelten dürfen. Vielmehr muss auch bei den Regeln zur Bekämpfung der Pandemie das verfassungsrechtliche Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung zur Anwendung kommen. Dies bedeutet konkret, dass die Werkstätten und Tagesförderstätten für behinderte Menschen nicht einfach geschlossen werden dürfen, sondern nach den allgemein geltenden Corona-Regeln wie beispielsweise 3G an Arbeitsplätzen offengehalten werden müssen. Es bedeutet aber auch, dass die Gesundheit und das Leben der Beschäftigten und der Mitarbeitenden nicht aufs Spiel gesetzt werden dürfen. Darum gilt es jetzt sehr genau auf die Arbeitsbedingungen zu schauen und sie bestmöglich zu gestalten. Isolation und Diskriminierung wie im langen „Lockdown“ Ende 2020/Anfang 2021 dürfe es nicht wieder geben, so die Aktivistinnen Bettina Fenzel und Rosemarie Kovač, während der Aussprache im AK Protest.
Nach Bekanntwerden der Verschiebung des Behindertenparlaments äußerte sich auch der Landesbehindertenbeauftragte Arne Frankenstein: „In dieser äußerst schwierigen Phase der Pandemie benötigt es mehr denn je ein schlüssiges Gesamtkonzept, um das Höchstmaß an Gesundheitsschutz behinderter Menschen ebenso sicherzustellen wie das Höchstmaß an gleichberechtigter, selbstbestimmter Teilhabe. Die Auswertung der Pandemiebewältigung zeigt, dass dies bislang nicht gelungen ist. Bei allen nun anstehenden Entscheidungen muss inklusiven Lösungen, wie es auch der AK Protest zurecht fordert, immer Vorrang eingeräumt werden.“
Wichtig ist den Organisatorinnen und Organisatoren aber vor allem diese Botschaft: „Wir schauen nach vorn. Es ist wunderbar, dass wir bereits einen neuen Termin haben. Und die ganze Arbeit, die alle unsere Aktiven in Bremen und Bremerhaven investiert haben, ist nicht vergebens. Die 12 Anträge, die in intensiven Diskussionen erarbeitet und beschlossen wurden, wurden bereits an die zuständigen Stellen weitergeleitet. Die Antworten werden ebenso Gegenstand des Behindertenparlaments im Mai 2022 sein wie gegebenenfalls neue Beschlussvorschläge“, ergänzt Gerald Wagner. Alle 12 Beschlüsse können auf der Internetseite des Aktionsbündnisses AK Bremer Protest nachgelesen werden (https://www.akbremerprotest.de/27-bremer-behindertenparlament/beschlussvorschlaege-27-bp/).
Für weitere Informationen stehen Ihnen für den Arbeitskreis gern zur Verfügung:
Dieter Stegmann, Tel.: (0421) 401696
Florian Grams, Tel.: (0176) 55996463
Bettina Fenzel: (0421) 8498973
Dominik Meine, Christine Sacher (Vorstand Werkstattrat EWW): (0160) 92926809
Ronald Pawlik (Vorsitzender Werkstattrat Werkstatt Bremen/Martinshof): Bremen), Tel.: (0421) 36115398
Jürgen Karbe (Vorsitzender LAGS Bremen)
Gerald Wagner (Geschäftsstellenleitung LAGS Bremen), Tel.: (0421) 38777-14
Darüber hinaus können Sie sich auch gern an den Landesbehindertenbeauftragten wenden:
Arne Frankenstein, Tel.: (0421) 361-18181